Luftbetankung im Segelflug

Luftbetankung von Jets ist heute alltäglich, selbst Schweizer FA-18-Piloten werden dazu trainiert. Viel kurioser, ja geradezu aufregend ist eine Begebenheit, die sich am 30./31. Mai 1939 anlässlich der Segelflüge am Albis ZH zugetragen hatte. Die folgende Geschichte stammt aus „Die Geschichte der Schweizerischen Luftfahrt“, Band III von Dr. Erich Tilgenkamp:

„Eine steife Biese lud zu Dauerflügen ein. In den ersten Morgenstunden liessen sich die Segelflieger E. Schaffroth, Th. Heimgartner, E. Bommer und W. Baldi vom bewährten „Lokomotivführer“ E. Spahni von Spreitenbach aus hochschleppen und kreuzten die Bergkette zwischen Albis und Uto hin und her.  Während die beiden ersteren in den späteren Nachmittagsstunden auf der Allmend landeten, blieben Bommer und Baldi auch in der hereinbrechenden Nacht oben, trotzdem sie sich weder verproviantiert, noch sonst für einen Nachtflug vorbereitet hatten. Stunde um Stunde kreisten sie in der mondhellen Nacht, durch die Zurufe der Kameraden am Boden wach gehalten. Als der Morgen graute, mobilisierte man E. Spahni. Immer wieder versuchte er von Bord seiner „Motte“ den Seglern ein an einer 20 Meter langen Schnur hängendes kleines Proviantpaket zuzupendeln. Es gelang nicht, Motorflugzeug war zu schnell.

Als die Segler um die Mittagszeit immer noch keine Miene machten, „herunter-zukommen“, organisierte M. A. Steiner mit den Kameraden einen neuen Ver-proviantierungsversuch. M. Vieser liess sich mit einem Segelflugzeug (Grunau Baby) an den Uetliberg schleppen. Langsam pirschte er sich vorsichtig über Baldis Maschine heran. Lockend baumelte das Paket mit Obst, Süssigkeiten und Kaffee, leicht pendelnd im Raum. So schwebten die beiden Maschinen nur 20 Meter übereinander dem Hang entlang. Noch einen Meter tiefer. Die Fingerspitzen des ausgehungerten Kameraden berührten fast die labende Fracht. Noch einen halben Meter tiefer, da packten zwei Hände das Paket und rissen es ab. Bommer war kurz vorher wegen unerträglichen Rückenschmerzen nach 22 ½ Stunden gelandet, so dass nun Baldi allein weitersegelte. Es sah schon nach einem neuen Rekord aus. Für das leibliche Wohl war ja gesorgt, aber die Müdigkeit zerrte an seiner Kraft. Die Freunde ahnten es und stiegen auf, um durch ihre Gegenwart den tapferen Flieger wach zu halten. Er war schon 25 Stunden in der Luft – ein neuer Rekord schien so gut wie sicher. Vier Segler schwebten nun über den dunklen Tannen und grünen Wiesenschneisen hin und her und weit über die Stadt hinaus. Es war ein prachtvolles Schauspiel, das namentlich die Besucher der Landesausstellung begeisterte.
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Cliché „Schweizer Aero-Revue“, Bern

Segelflieger verproviantieren sich aus der Luft: M. Vieser überfliegt auf dem „Grunau Baby II“ den schon seit 20 Std. den Hängen des Uetliberges entlangsegelnden W. Baldi und fliegt ihm ein an einer Leine baumelndes „Fresspaket“ zu.

Doch der Kaffee im Proviant war nicht stark genug. Baldi schlief ein! Das Flugzeug trieb hinter den Bergeskamm, geriet in eine Abwindzone und kam ins Trudeln! Nur noch 40 Meter über dem Boden rüttelten Böen den schlafenden Flieger wach. Er erkannte augenblicklich die Gefahr, drückte das Flugzeug auf die Nase, zog den Knüppel wieder an, schwebte aus und landete glatt bei Uitikon. 25 ½ Stunden hatte er durchgehalten. Bei einem Haar wäre es schief gegangen.“
Beat Galliker

(aus Albatros-INFO Okt. 2007)