Autor: Beat Jäggi

Wenn der gemeine IG-Albatrösler einen neuen Flieger möchte...

Episode 2 - zurück auf Feld 1!

In der ersten Folge meines Berichts habe ich ausführlich über meine Um- und Irrwege auf der Suche nach einem schönen „Alltagsoldtimer“ berichtet.

Daniel Steffen war im letzten halben Jahr ziemlich gut über meine Suche nach einem neuen „Projekt“ im Bild, und zum Schluss hat er mir auch wieder auf den Pfad der Tugend geholfen, nämlich zurück zur Mutter aller späten Holz-Leistungssegler, zur Ka-6!

Ich will immer noch keine Ka-6E mit Kunststoffrumpf und Sagexflügeln. Aber ich begann damit, mich am anderen Ende der Entwicklungsgeschichte der Ka-6 umzusehen, also bei den frühen Ka-6(0) und Ka-6(A) mit 14 oder 14.4 m Spannweite und Landekufe. Das wäre doch ein sehr lohnendes Vorbild für ein Modell – bekannt und doch originell, mit genügend Potenzial für gute Flugleistungen und –eigenschaften. Nun brauchte ich aber noch ein geeignetes Vorbild.

Wie so oft suchte ich zuerst zu weit weg, bis Daniel und ich in unserer unmittelbaren Nähe fündig wurden. Die damals auf dem Flugplatz Gheid in Olten (den Gummimotörlern in der IG-Albatros nicht ganz unbekannt) beheimatete Segelflugruppe Luzern hatte im Jahr 1957 die nagelneue und topmoderne Ka-6 HB-582 beschafft. Sie war Schleicher-Produktionsnummer 25, mit 14.4 m Spannweite, mit Landekufe statt fest eingebautem Rad und als Super-Spezialausrüstung mit Endkeulen an den Flügeln statt normalen Randbogen – schlank und schnittig wie eine De Havilland Venom (tja, die Massstäbe ändern sich)!

Die HB-582 war die zweite Ka-6 in der Schweiz überhaupt und wurde entsprechend bestaunt (sooo schmale Flügel…!), nicht nur bei den rückständigen Oltnern mit ihrer alternden Spalingerflotte - mit der S-22 HB-366 als privater Superorchidee. Neben Verwunderung löste die Ka-6 natürlich auch eine Portion Neid der Besitzlosen (Oltner) aus. Und zwischendurch sorgte sie für Irritation zwischen den Segelfluggruppen Olten als Platzherrin und den Gästen aus Luzern, da die leistungsorientierten jungen oltner Piloten der SG Luzern beitraten, um das neue Wunderflugzeug fliegen zu können.

Die Ka-6 HB-582 war ab 1957 und durch die 1960er-Jahre in Olten beheimatet. Sie wurde mit wechselndem Erfolg geflogen und über die Jahre sammelte sich auch eine ganz Reihe von Reparaturrapporten von „Sägi“ an – so langsam wurde aus dem Wunderflugzeug eine alte Ka-6, bis sie dann 1970 mit einem Rad modernisiert und nach Belgien verkauft wurde. Danach haben wir die Spur der HB-582 verloren.

Schön für Historiker und Modellbauer: Die HB-582 wurde in ihren frühen Jahren als Superflugzeug fleissig fotografiert und Daniel Steffen hat in der Diasammlung von Ernst Binggeli eine ganze Reihe schöner Bilder dieses Flugzeuges gefunden.

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Ka-6 HB-582 der Segelfluggruppe Luzern über dem Born bei Olten. Ca. frühe 1960er Jahre.
Foto Diasammlung Ernst Binggeli.

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Ka-6 HB-582 der Segelfluggruppe Luzern auf dem Flugplatz Gheid, Olten. Welch ein Gegensatz zum Spalinger S-22 und zur Schlepp-Motte! Foto Diasammlung Ernst Binggeli

Endlich geschafft – ich habe ein Projekt!

Also, ich habe mich entschieden und will die Ka-6 HB-582 nachbauen, mit allen Zutaten, kurzen Flügeln, Endkeulen, Kufe und natürlich mit den echten Metallskis von Stöckli (ganz neu, ab 1957 nach den Ideen des Amerikaners Howard Head in Wolhusen im Entlebuch gebaut) auf den Rumpfseiten!

Zum Glück gibt es von RC-Europe einen Bausatz für eine klassische Ka-6 (nicht der E-Typ), ganz aus Holz und in meinem Wunschmassstab 1:3.5. Der Bausatz macht einen guten Eindruck und Sebastiaan van Buiten von RC-Europe antwortet bereitwillig auf Fragen– kurz, er hat mich überzeugt, ich habe einen Bausatz bestellt und auch erhalten.

Der Bausatz basiert auf den Typen Ka-6BR oder –CR und nicht auf den ursprünglichen Versionen der Ka-6. Aber der Umbau auf eine frühe Ka-6 bzw. Ka-6(A) wird ja nicht allzu kompliziert. Rad weglassen, Kiel anpassen, Kufe darunter, plus die Flächenenden kürzen und Keulen schnitzen. Fertig! Na ja, es wartet schon etwas Arbeit. Aber das kommt gut.

Das Abenteuer beginnt!

Im Jahr 1957 war die Beschaffung eines neuen Flugzeuges beim Segelflugzeugbau und Möbelfabrik Alexander Schleicher aus dem fernen Poppenhausen an der Wasserkuppe für die SG Luzern sicher ein ziemliches Abenteuer. Es begann mit der Definition der Wünsche und Spezifikationen sowie den Offerten von Schleicher per Briefwechsel und kam mit der Auslieferung des fertigen Flugzeugs per Bahn von der Bahnstation Lütter nach Olten Güterbahnhof zum glücklichen Abschluss. Die hartnäckigen Zentralschweizer hatten es geschafft.

Und schön – alles verändert sich, aber gewisse Dinge bleiben sich doch gleich! Im Jahr 2017 kommuniziert und bestellt man zwar mit Lichtgeschwindigkeit per World Wide Web, aber die Auslieferung ist auch heute noch ein Abenteuer das mehrere Wochen dauert, mit Erfolgen und Rückschlägen, hoffen, bangen, verzweifeln und wieder hoffen. Wie wir herausfanden, hat meine Schachtel zunächst eine Rundreise gemacht, bis sie wieder in den Niederlanden bei RC-Europe ankam und neu verpackt, adressiert und deklariert erneut auf die Reise geschickt werden konnte. Aber immerhin, DHL arbeitet blitzschnell. Die Rechnung von DHL kam jedenfalls vor den letzten Teilen des Bausatzes bei mir an. Ein echtes Abenteuer, das mir und auch den Kollegen bei RC-Europe in Erinnerung bleiben wird!

Aber genug, vielleicht wird das alles ja Gegenstand einer neuen Folge aus den Abenteuern des gemeinen IG-Albatröslers, der gerne ein neues Flugzeug basteln möchte.

Bis dahin, frohes bauen!